venn diagramm ux und Psychologische Diagnostik. Gemeinsamkeiten in der Mitte

UX trifft Psychologie: Was die Psychologie Diagnostik mit unserer Arbeit als UX Professionals zu tun hat

venn diagramm ux und Psychologische Diagnostik. Gemeinsamkeiten in der Mitte

Yay! Ein Venn Diagramm!

Neulich bin ich beim Lesen meiner Literatur für dieses Semester (Modul Differentielle und und Persönlichkeitspsychologie, eigentlich immer mein Hate Fach) auf einen Satz gestoßen, der sofort Assoziationen zu meiner Arbeit geweckt hat, hurra.

Gegenstand der Psychologischen Diagnostik sind Menschen, und zwar sowohl einzelne als auch mehrere Personen (denkbar sind etwa Paare, Familien, Teams) (Anmerkung ja…soweit so gut , no brainer). Dies inkludiert auch die Erfassung, wie sich Menschen in bestimmten Umwelten oder Situationen verhalten bzw. wie sie diese erleben; oder wie sie ein bestimmtes Objekt wahrnehmen bzw. bewerten (z. B. ein Produkt, eine Werbeanzeige)„.

Die Psychologische Diagnostik hat also doch mehr mit UX zu tun, als ich gedacht hätte!

Ich muss dazu sagen: Für mich ist es sehr wichtig, solche Verknüpfungen zu finden. Sie helfen mir Themen besser zu verstehen, einzuordnen, und machen sie auch richtig praxisrelevant und dadurch interessant. Also dachte ich mir: Warum nicht darüber bloggen und andere an meiner kleinen Entdeckungsreise teilhaben lassen? Vielleicht findet ihr ja auch ein paar Inspirationen für eure UX-Praxis!

Kurzer Exkurs: Was ist eigentlich Psychologische Diagnostik?

Im Grunde ist es ein Teilbereich der Psychologie, der sich damit beschäftigt, menschliches Erleben und Verhalten (darum gehts ja in der Psychologie per se) auf Basis einer Fragestellung systematisch zu erfassen und dann zu beschreiben, zu erklären oder vorherzusagen. Dabei geht’s um Einzelpersonen, aber auch um Gruppen von Personen. Die Psychol. Diagnostiker nutzen verschiedene Methoden wie Tests/Fragebögen, Interviews oder Beobachtungen, um Eigenschaften, Fähigkeiten oder Verhaltensweisen zu messen und zu verstehen. Klingt irgendwie ziemlich vertraut, oder?

Jetzt aber zurück zu unserem Thema.. Als UX-Profi sind wir ja (hopefully) ständig damit beschäftigt, das Verhalten und Erleben von Nutzer*innen zu verstehen. Genau das ist auch der Kern der Psychologischen Diagnostik!

Warum uns das interessieren sollte

Es geht um die Fragen!

In der Psychol. Diagnostik dreht sich alles um konkrete Fragestellungen. Klingt vertraut? Klar, denn in UX machen wir genau das Gleiche! Statt „Hat Person A eine ADHS?“ fragen wir z.B : „Warum brechen Leute den Checkout-Prozess ab?“ Oder: „finden sie dies oder das relevant?“ Wir starten also keine Studie zum Spaß, sondern um echte Fragestellungen oder Probleme zu lösen. Somit gilt: Jedes UX-Projekt beginnt mit klaren Fragen. In Interviews oder Usability Tests möchten wir konkrete Antworten, die unsere Ideen oder Produkt/Service informieren oder verbessern.

Zielgeleitete Erhebung von Information /Daten

Psychol. Diagnostiker sammeln nicht wild und random Infos und Daten, sondern sammeln gezielt die Infos, die sie brauchen. Same same in UX! Wir fokussieren uns auf relevante Aussagen, Metriken und User Feedback, das unsere Fragen beantwortet. Statt alle möglichen Daten zu tracken, erheben gezielt Nutzerfeedback zu spezifischen Ideen, Features oder Problemen.

Bezug zu menschl. Verhalten und Erleben eines odere mehrerer Menschen – und das im Kontext

Die Psychol. Diagnostik schaut sich das Verhalten und Erleben von Menschen einzeln oder in Gruppen an – und zwar in ihrem Umfeld.

In der UX-Forschung untersuchen wir genau das – wie Nutzer*innen mit Produkten oder Interfaces interagieren (Verhalten) und wie sie diese Erfahrung wahrnehmen (Erleben). Wenn wir das in den jeweilgen Kontexten tun, nennnen wir das z.B Contextual Inquiry oder Feldforschung. Wir wollen verstehen, wie Nutzer*innen in ihrer natürlichen Umgebung mit unseren Produkten/Services interagieren. D.h bestenfalls führen wir z.B Interviews odder Tests nicht nur im Lab durch, sondern gehen raus und beobachten User in ihrem Alltag. Wie nutzen sie unsere App im stressigen Büro oder in der überfüllten U-Bahn?

Erhebung weiterer relevanter Bedingungen

In der Psychol. Diagnostik werden auch Informationen über relevante Bedingungen, denen die untersuchte(n) Person(en) ausgesetzt ist (sind), erhoben – wenn es für die Beantwortung der Fragestellung nützlich ist. Dies können z.B allgemeine Lebensumstände (z.B Beziehungs- oder Beschäftigungsstatus), aber auch konkrete Situationen sein. Menschliches Verhalten und Erleben ist ja nicht nur durch die Eigenschaften einer Person zu erklären, sondern auch durch ihre allgemeinen situative Randbedingungen.

Im UX Prozess tauchen wir durch UX Research tief in die Welt unserer Nutzer*innen ein, um zu verstehen, wie ihre Lebensumstände die Interaktion mit Produkten / Services beeinflussen kann. Bei der Persona-Erstellung berücksichtigen wir im UX Design daher nicht nur demografische Daten, sondern auch Lebensumstände, Arbeitssituationen und technische Fähigkeiten unserer Nutzergruppe. Hier schiele ich besonders Richtung Inclusive Design. Ein Beispiel können hier spezifische Bedingungen (auch die situativen) sein, wie z.B. neurodiverse Personen oder eine Mutter mit Baby auf dem Arm, jemand der einen Rollator benötigt. um von A nach B zu kommen etc..

Interpretation der erhobenen Daten

Informationen und deren Bewertung sollten getrennt werden, das ist hiermit gemeint. Manchmal können Informationen sehr unterschiedlich interpretiert werden. Die Interpretation erfolgt in der Psychologischen Diagnostik immer mit dem Ziel, die Fragestellung zu beantworten. Nach Nutzerinterviews interpretieren wir die Ergebnisse im Team. Was bedeuten die geschilderten Probleme der Nutzer*innen genau? Was sollen wir tun – bzw welche Änderungen müssen wir vornehmen? Das Thema ist nicht unkomplex und ruft fast nach einem gesonderten Beitrag – Stichwort „Interrater Reliabilität (Urteilerübereinstimmung)“ Jede*r die/der schon mal im Team z.B Interviews ausgewertet hat, weiß wahrsch. von was ich spreche :) Und nein, dies bedeutet nicht dass, sog. „harte“, quantitative Daten/Zahlen und Metriken von solchen Dingen befreit wären.

Handeln ist von Fachwissen geleitet

Psychol. Diagnostiker nutzen ihr psychologisches Fachwissen, um Daten richtig zu interpretieren. Als UXler machen wir das auch! Unser Wissen über Kognition, Wahrnehmung und Interaktionsdesign hilft uns, Aussagen und Nutzerdaten richtig zu deuten und. bestmögliche Lösungen zu entwicklen.

Nutzung standardisierter Methoden

In der Psychol. Diagnostik kommen nur wissenschaftlich fundierte Methoden zum Einsatz. In UX verlassen wir uns (hoffentlich) nicht auf unser Bauchgefühl, sondern nutzen ebenso validierte UX-Forschungsmethoden und -Tools, um zuverlässige Ergebnisse zu erzielen wie z.B wissenschaftlich standardisierte UX oder Usability-Fragebögen, yay!

Geht es ohne Diagnostik/ UX-Research?

Zum Schluss eine provokante Frage: Können wir auf UX-Research verzichten?

Was wäre …

  • eine Produkt/Serviceentwicklung ohne User Research? Wie ein Bogenschütze, der mit verbundenen Augen schießt – vielleicht trifft man zufällig, aber meistens geht’s daneben.
  • Wie sähen Website/app-Optimierungungen ohne Usability-Tests aus?
  • eine App-Entwicklung ohne Nutzer*innen-Feedback?

Die Antwort auf diese Fragen heißt: unseriös. Tut sie aber in der Praxis leider oft nicht, obwohl es genauso ist. Die Entscheidungen für UX Maßnahmen würden ohne Grundlage getroffen.

Genauso wie die Psychologische Diagnostik unverzichtbar für seriöse Maßnahmen wie z.B effektive Therapien, Förderungen oder Personalentscheidungen ist, ist UX-Research der Schlüssel zu nutzerfreundlichen, erfolgreichen Produkten. Ohne sie könne wir keine geeigneten Maßnahmenentscheidungen treffen und tappen im Dunkeln und raten bestenfalls, was unsere Nutzer*innen brauchen und wollen.

Fazit: Viele Gemeinsamkeiten und vor allem: bei beiden gilt Garbage in, garbage out!

UX und Psychologische Diagnostik haben sehr viel gemeinsam. Beide Disziplinen wollen Menschen und ihr Verhalten verstehen, um konkrete Fragen zu beantworten und Probleme zu lösen.

Und auch hier gilt – wie immer das gute alte GIGO Prinzip: Garbage in, Garbage out.

In diesem Sinne, happy UXing

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