Kann das Stereotype threat Phänomen Einfluss auf Usability Tests haben?
Begriffserklärung
Stereotype threat heisst wörtlich übersetzt: Bedrohung durch Stereotype.
Was ist das genau?
Der Begriff und die Stereotype threat Theorie (STT) wurde von Steele and Aronson (1995) in ihrer Studie erstmalig bezeichnet und folgendermaßen formuliert: „Stereotype threat is being at risk of confirming as self-characteristic, a negative stereotype about one’s group.“
Das Phänomen kennzeichnet die Befürchtung, auf der Grundlage von negativen Stereotypen beurteilt zu werden, oder durch eigenes Verhalten negative Stereotype bezüglich der Eigengruppe unbeabsichtigt zu bestätigen und löst bei Mitgliedern sozial abgewerteter Gruppen/Minoritäten ein Gefühl der Bedrohung aus (Keller, 2008).
Die Konsequenzen, die daraus entstehen können, sind bezeichnend: Die Testleistungen der Personen, die dieses Phänomen erleben, wird negativ beeinflusst. Die kognitive Leistung verringert sich (da das Gehirn ‚beschäftigt‘ ist) und das Phänomen hat zudem eine enorme Auswirkung auf z.B. die Berufs – und Studienwahl, da Personen sich von den Bereichen distanzieren, die als ‚Bedrohung‘ wahrgenommen werden. Das ganze endet sozusagen in einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung und führt zudem zu einer geringen Identifikation mit den als Bedrohung wahrgenommenen Bereichen.
Warum ist dies so?
In den Studien von Steele und Aronson wurde nachgewiesen, das die Leistung von Personen einer Minoriät (z.B. Frauen in männerdominierten Bereichen) bei Leistungstests schlechter ausfällt, wenn in der Testsituation das relevante Stereotyp bewusst ist.
Zum Beispiel wurde u.a. festgestellt, das Frauen, wenn sie vor einer Mathematikprüfung beiläufig mit der Aussage „Frauen sind schlecht in Mathematik“ konfrontiert werden, wesentlich geringere Leistung vollbringen als die Frauen in der Kontrollgruppe, bei denen dieses Stereotyp nicht aktiviert wurde. (Keller, 2008)
Hier findet durch die Aussage „Frauen sind schlecht in Mathe“ ein sog. Priming bei den Testpersonen statt, d.h. man aktiviert eine Information, die zwar implizit/unbewusst vorhanden ist (mein Alter, mein Geschlecht, meine Nationalität) aber durch eine konkrete Aussage, die auf diesen Fakt hinweist oder die konkrete Frage nach diesen Fakten aktiviert und somit bewusst werden. Man wird sozusagen daran erinnert, wie alt man ist, welches Geschlecht man hat etc.
Diese Bewusstseinsinhalte sind weiterhin mit Assoziationen verknüpft, wie die Umwelt mich wahrnimmt.
Dies wirft nun für mich die Frage auf, ob dies auch auf Usability Test Situationen anwendbar ist.
Hier wird zwar keine intellektuelle Fähigkeit gemessen, es kann aber meiner Meinung nach trotzdem zu Verzerrungen des Testergebnisses führen wenn z.B. bei älteren Personen der Stereotyp „alt und daher technisch inkompetent“ aktiviert wurde. Das Ziel eines jeden Tests ist ja, das Testergebnisse möglichst unverzerrt sind. Natürlich gibt es diese Diskussionen auch in Bezug auf das Testsetting (z.B Labor vs Feld), aber dies ist nochmals ein anderes Thema.
Es stellt sich daher die Frage, ob man in Bezug auf die Stereotype threat Theorie demografische Informationen wie Alter, Geschlecht, Nationalität eventuell besser am Testende statt am Anfang abfragt, um diese Verzerrung durch das Phänomen Stereotype threat möglichst auszuschliessen. Schaden kann es sicher nicht. :)
Referenzen:
Keller, J. (2008). Stereotype als Bedrohung. In: L.E. Petersen, Bernd Six (Hrsg) Stereotype, Vorurteile und soziale Diskriminierung, S. 88-96
Steele and Aronson (1995), Stereotype threat and the intellectual test performance of African Americans. Journal of Personality and Social Psychology, 797-811
Weiterführendes:
http://www.reducingstereotypethreat.org/
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